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Die Bemessung von Verbunddecken ist in DIN EN 1994-1-1 2010 geregelt,
worin ausführliche Informationen zur Bestimmung der Längsschub- und Biegetragfähigkeit
aufgeführt sind. Für den Nachweis der Querkrafttragfähigkeit
verweist der EC4 auf das Modell für nicht schubbewehrte Massivquerschnitte
in DIN EN 1992-1-1 2011, da bis vor kurzem kein eigenständiges
Querkraftbemessungsmodell für Verbunddecken zur Verfügung stand. Das
Modell im EC2 gründet auf einigen Annahmen, die für Verbunddecken nicht
vorausgesetzt werden können. Außerdem können die spezifischen Eigenschaften
von Verbunddecken nicht berücksichtigt werden. Daher wurde in
Hartmeyer 2014 ein Modell zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit von
Verbunddecken, die ausschließlich durch das Verbundblech längsbewehrt
sind, entwickelt. Verbunddecken werden in der Praxis allerdings stets mit
zusätzlicher Betonstahlbewehrung ausgeführt. In dem zuvor genannten Modell
für Verbunddecken kann der positive Einfluss der zusätzlichen Betonstahlbewehrung
auf das Querkrafttragverhalten der Verbunddecken jedoch
nicht vollumfänglich berücksichtigt werden.
In dieser Arbeit wurde daher ein eigenständiges Ingenieurmodell entwickelt,
mit dem das Querkrafttragverhalten von Verbunddecken unter der Kombination
der beiden Längsbewehrungsarten Blech und Betonstahl mechanisch
beschrieben werden kann. Hierzu wurden umfangreiche Querkraftversuche
an Verbunddecken durchgeführt. Durch den Einsatz kontinuierlicher
Dehnungsmessung mittels Sensorfasern, konnten wesentliche Erkenntnisse
zum Querkrafttragverhalten gewonnen werden. So wurde beispielsweise
festgestellt, dass das Querkrafttragverhalten von Verbunddecken dem
Bogen-Zugband-Modell zuzuordnen ist und Ebenbleiben der Querschnitte
nicht vorausgesetzt werden kann. Das entwickelte Modell beinhaltet vier
Traganteile, die additiv berücksichtigt werden. Diese sind der Schubtraganteil
der ungerissenen Druckzone, der Traganteil der Rissprozesszone, die
Dübelwirkung von Blech und Betonstahl sowie der vertikale Anteil einer direkten
Druckstrebe ins Auflager. Das Modell ist gleichermaßen für offene
und hinterschnittene Geometrien gültig und berücksichtigt über die Teilverbundtheorie
die spezifischen Eigenschaften der Verbundbleche. Die Untersuchungen
in dieser Arbeit konzentrierten sich auf Verbunddecken aus
Normalbeton. Eine Öffnung des Modells für Verbunddecken aus Leichtbeton
ist prinzipiell möglich, da die Materialeigenschaften innerhalb der einzelnen
Traganteile direkt Berücksichtigung finden und somit die speziellen Eigenschaften
des Leichtbetons Eingang finden könnten.
Durch die Berücksichtigung der Kombination der beiden Längsbewehrungsarten
ist es erstmals möglich, die Querkrafttragfähigkeit von Verbunddecken
zutreffend zu beschreiben. Da hiermit eine erhebliche Traglaststeigerung
einhergeht, konnte folglich die Wirtschaftlichkeit von Verbunddecken gesteigert
werden. Im Zuge der Überarbeitung des EC4 wurde das entwickelte
Modell bereits in den Entwurf (prEN 1994-1-1 2020) aufgenommen.
Die Verbunddecke ist ein Deckensystem, das Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitig ausgereifter bautechnischer Qualität vereint. Nachweiskonzepte zur Biegetragfähigkeit und Längsschubtragfähigkeit wurden bereits für normative Regelungen erarbeitet. Für die Bemessung unter Querkraft orientiert sich das Regelwerk für Verbundbau am Nachweiskonzept für Massivbauteile. Eine eigenständige, an die besondere konstruktive Gestaltung von Verbunddecken angepasste Bemessung ist nicht vorhanden. Bisher wird somit ein empirisch gestütztes Querkraftmodell verwendet, dessen statistische Kalibrierung ohne Berücksichtigung von Verbunddeckenversuchen vorgenommen wurde. Neuere Untersuchungen an Verbunddecken mit gefügedichtem Leichtbeton zeigten, dass bei einem ungünstigen Verhältnis der Zug- zur Druckfestigkeit des Betons und in Abhängigkeit der Verankerung der Längsbewehrung relevante Sicherheitsdefizite infolge Querkraftversagen auftreten können.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die das Querkraftversagen bei Verbunddecken auslösenden Mechanismen separiert und in ihrer Wirkung beschrieben. Hierzu wurden eine Vielzahl von Querkraftversuchen an Verbunddecken mit variierender Blechgeometrie und in wechselnder Kombination mit Normal- und Leichtbeton durchgeführt. Aus dem Zugewinn an Erkenntnissen wurde ein mechanisch begründetes, variables Bemessungsmodell für Verbunddecken unter Querkraftbeanspruchung formuliert. Das Modell zeichnet sich durch die Berücksichtigung der bisher vernachlässigten Eigentragfähigkeit des Verbundblechs aus und kann zudem flexibel an die verwendete Betonart sowie an variierende Blechgeometrien angepasst werden. Das Querkraftmodell setzt sich aus den additiv wirkenden Traganteilen des Blechs, der ungerissenen Druckzone sowie der aktivierten Bruchprozesszone zusammen. Damit wurde ein geschlossener Lösungsvorschlag zur Querkraftbemessung erarbeitet, welcher eine optimale und sichere Ausnutzung des Deckensystems ermöglicht. Da die Einzeltragwirkungen individuell und mechanisch beschrieben wurden sind Ergän-zungen leicht möglich, so dass zukünftig auch die Einbindung der Wirkung von Faserbeton denkbar wäre.
In der Arbeit wurde erstmals der Frage nach einem ingenieurmäßigen Nachweisformat für Verbunddecken unter Schubbeanspruchung nachgegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen Schlussfolgerungen zu dem von Stahlbetonbalken abweichenden Tragverhalten und liefern damit eine Basis für weitere Forschungsansätze. Um dies zu unterstützen wurde eine umfangreiche Datensammlung durchgeführt und in einer Versuchsdatenbank von Stahlverbunddecken mit Querkraftversagen festgehalten.