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Im Zuge der steigenden Anzahl von Einsatzmöglichkeiten der
Faserverbundwerkstoffe in den verschiedensten Industriebereichen spielt die
Entwicklung bzw. Weiterentwicklung neuer und effektiverer Verarbeitungstechniken
eine bedeutende Rolle.
Dabei findet derzeit das Harzinjektionsverfahren (LCM) ausschließlich für kleinere bis
mittlere Stückzahlen seinen Einsatz. Aufgrund der sehr großen Stückzahlen im
Automobilbereich, ist dieses Verfahren hier zurzeit weniger interessant. Daher
werden große Anstrengungen unternommen, das Harzinjektionsverfahren besonders
für solche Bauteile attraktiver zu machen, die gegenwärtig mit Hilfe des Prepreg-
Verfahrens hergestellt werden. Dabei spielt die Reduktion der hier vergleichsweise
hohen Zykluszeit eine tragende Rolle. Die Dauer eines Zyklus wird hierbei
hauptsächlich durch die Vorbereitung und Herstellung der Verstärkungsstruktur
(Preform) sowie durch die Bestückung des Werkzeuges bestimmt. Diese so
genannte Preform-Technik weist daher ein sehr großes Entwicklungspotential auf,
mit dem Ziel, solche Verstärkungsstrukturen herzustellen, die nach der Injektion
keine Nacharbeit erfordern. Solche Strukturen werden auch als „net shape, ready-toimpregnate“-
Preform bezeichnet. Die hierfür notwendigen Techniken stammen
vornehmend aus der Textilindustrie, wie z.B. die direkte Preformtechnik, das Nähen
oder Kleben (Binder-Technik).
Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, die Möglichkeiten der Nähtechnik bezogen
auf die Herstellung der Preforms zu untersuchen. Hierfür werden die verschiedenen
Naht- und Verbindungsarten hinsichtlich ihres Einsatzes in der Preformtechnik, wie
die Fixier- und Positionier-, die Füge- oder Verbindungsnaht und die Montagenaht,
untersucht.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde zunächst innerhalb einer Studie zur „net shape“-
Preformtechnik eine Versteifungsstruktur entwickelt und hergestellt. Diese Struktur
soll dabei der Veranschaulichung der Möglichkeiten und Einsatzbereiche der
Nähtechnik bei der Preformtechnologie dienen. Zudem kann so ein mehrstufiger
Preformherstellungsprozess demonstriert werden. Ferner zeigt diese Studie, dass
ein hochgradiger, automatisierter Prozess, welcher zudem eine durchgängige
Qualitätskontrolle ermöglicht, realisiert werden konnte. Als ein weiterer Schritt wurde ein Prozess zur Herstellung eine dreidimensionalen
Preform, der die Anwendung verschiedener thermoplastischer,
niedrigtemperaturschmelzender Nähgarne zulässt, ausgearbeitet. Hierbei wurden die
Vorteile der Näh- und der Binder-Technologie miteinander verbunden. Außerdem
konnte durch die bereits formstabile und imprägnierungsfertige Preformstruktur, die
Bestückung des Werkzeuges wesentlich vereinfacht werden. Um die mechanischen
Eigenschaften der Preforms bestimmen zu können, wurden quantitative
Messmethoden erarbeitet. Hierdurch konnten anschließend die Einflüsse der
Orientierung sowie der Stichdichte ermittelt werden. Zudem wurden die folgenden
drei grundlegenden Eigenschaften untersucht: die spezifische Biegesteifigkeit, der so
genannte Rückspringwinkel sowie die Rückstellkraft nach dem Thermoformen
hinsichtlich der verschiedenen Nähtypen.
Um dies zu ergänzen, wurden weiterführende Untersuchungen zu den
Materialeigenschaften der Nähfäden, die bei der dreidimensionalen Preformtechnik
eingesetzt werden können, durchgeführt. Dabei ist neben der niedrigen
Schmelztemperatur die vollständige Auflösbarkeit der Nähgarne in den ungesättigten
Polyester- und Epoxidharzen besonders wichtig. Auf Grund dieser vollständigen
Auflösung der Fäden in der Matrix können die Stichlöcher wieder vollkommen
verschlossen werden. Dadurch kann eine Reduktion des Einflusses solcher
Stichlöcher auf die mechanischen Eigenschaften des Faserverbundwerkstoffes
erreicht werden. Mit Hilfe dieser Untersuchungen wurden schließlich zwei polymere
Nähgarne als vielversprechend beurteilt. Diese weisen eine Schmelztemperatur von
weniger als 100 °C sowie eine gute Lösbarkeit, besonders im Harzsystem RTM 6,
auf.
In der Preformtechnik werden die Nähte nicht nur als Positionier- oder Montagenaht
eingesetzt, sondern können in einer Struktur als auch als Verstärkungselement, eine
so genannte Verstärkungsnaht, verwendet werden. Der Zweck einer solchen Naht ist
die interlaminare Verstärkung von monolitischen oder Sandwichstrukturen. Zudem
besteht die Möglichkeit, diese zur Fixierung von metallischen Funktionselementen
(Inserts) in den Faserverbundwerkstoff zu benutzen. Hinsichtlich diese Möglichkeiten
wurden im Rahmen dieser Arbeit erfolgreich Untersuchung durchgeführt. Dabei
wiesen die eingenähten Krafteinleitungselemente in durchgeführten statischen
Zugversuchen eine annähernd 200 % höhere maximale Zugkraft verglichen mit
entsprechenden Elementen (BigHead®), die nicht durch eine Naht fixiert wurden. Weitere Untersuchungen zeigten auch, dass eine doppelte Naht nicht eine
proportionale Verdoppelung der maximal erreichbaren Zugkraft bewirkt. Der Grund
hierfür liegt an einer partiellen Zerstörung des vorhandenen Nähgarns der ersten
Naht begründet durch den doppelten Einstich in die bereits bestehenden Löcher
beim mehrmaligen Durchlaufen der Nadel. Der größte Verstärkungseffekt konnte
schließlich bei der interlaminaren Einbettung und der Vernähung des Insert erreicht
werden. In diesem Fall kann eine Delamination, wie sie bei lediglich interlaminar
eingebetteten Inserts auftritt, verhindert werden.
Zusätzlich wurden statische Scherversuche durchgeführt, um auch in diesem
Belastungsfall die Versagensart zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass nicht
die Nähte sondern der Insert versagte. Auf Grund des Materialbruchs des Inserts,
sowohl in Zug- als auch in Scherversuchen, wurde in einem weiteren Schritt ein
optimiertes Insert entwickelt. Bei diesem wurde der Sockel in soweit modifiziert, dass
die maximale Versagenslast des Nähgarns ermittelt werden konnte. Dabei stellte
sich heraus, dass Glas-, Kohlenstoff- und Aramidfasern sich nur bedingt als
Verstärkungsgarn zur Fixierung von Inserts eignen. Im Gegensatz dazu sind die
Polyestergarne als ausreichende Verstärkung gut geeignet. Weitere Vorteile des
Polyestergarns sind die niedrigeren Kosten sowie die gute Vernähbarkeit.
Anschließend wurde eine solche Verbindung des Inserts mit einem
Faserverbundwerkstoff mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) simuliert. Dabei
zeigte sich eine gute Übereinstimmung der simulierten Ergebnisse mit denen aus
dem statischen Zugversuch mit dem weiterentwickelten Insert.
Auf Grund der elektrischen Leitfähigkeit von Kohlenstofffasern, können Fäden aus
diesem Material auch als Sensoren zur Überwachung einer Struktur oder Verbindung
eingesetzt werden. Hierfür wurden ebenfalls Untersuchungen durchgeführt. Dabei
konnte mit Hilfe der Änderung des elektrischen Widerstandes auf Schädigungen der
Fasern geschlossen werden. Somit können nicht nur das Bestehen einer
Schädigung, sondern auch der annähernde Ort ermittelt werden. Die
Untersuchungen zeigten somit, dass die Kohlenstofffasern nicht lediglich als
Verstärkung sondern auch als Überwachungssensor bei einem eingebetteten Insert
dienen können.
Im Rahmen aller Untersuchungen konnte das große und vielversprechende Potential
der Nähtechnik bei der Herstellung von Preform-Bauteilen aufgezeigt sowie ein
Einblick in einige von vielen Anwendungsmöglichkeiten gegeben werden.