Erfassung und Bewertung von Grenzschichteffekten in neuartigen kohlenstofffaserverstärkten Polymeren
- In der vorliegenden Arbeit wurde das Potenzial neuer Faser-Kunststoff-Verbunde auf
Basis von Duromeren mit hybrider und interpenetrierender Struktur und
Kohlenstofffasern analysiert. Die Motivation bestand darin, neue, innovative Harze im
Hinblick auf ihren Einsatz als Matrixsysteme für Flüssigimprägnierverfahren zum
Herstellen kontinuierlich kohlenstofffaserverstärkter Verbundwerkstoffe zu
untersuchen. Besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Ausbildung der
Faser/Matrix-Grenzschicht und deren Einfluss auf das gesamte Eigenschaftsprofil
der Verbunde.
Als Matrixsysteme wurden ein Vinylester-Urethan-Hybridharz (VEUH), eine mit
Flüssigkautschuk (ETBN) modifizierte Variante dieses Harzsystems und eine
Verbindung zwischen Epoxid (EP) und Vinylester (VE) verwendet. Nach
Charakterisierung der Reinharzsysteme und der Auswahl einer geeigneten
Kohlenstofffaser wurden Laminate im Harzinjektionsverfahren sowie im
Nasswickelverfahren gefertigt.
Es hat sich gezeigt, dass konventionelle, mikromechanische Testmethoden zur
Charakterisierung der Faser/Matrix-Grenzschicht unter Verwendung dieser
Materialien nur bedingt anwendbar sind und die damit erzielten Ergebnisse nicht
ausreichen, um Korrelationen mit den makromechanischen Kennwerten aufzustellen.
Vielmehr erwiesen sich Faserbündeltests als eine gute Alternative, um wichtige
Informationen in Bezug auf die Bildung und Charakterisierung der Grenzschicht zu
erlangen. Beispielsweise reagierte der Querzugfaserbündeltest (QFT) äußerst
sensibel auf Änderungen in der Grenzschicht und ist nicht zuletzt aufgrund der
Berücksichtigung mesomechanischer Aspekte besser geeignet, um
makromechanische Tendenzen widerzuspiegeln. Aus diesem Grund und weiterhin
mit dem Verdacht auf erheblich hohe Eigenspannungen in den VEUH-Verbunden
wurde ein Makro/Mikro-Modell erstellt und mit Hilfe der Finiten Elemente Methode
analysiert. Die Ergebnisse gaben sowohl Aufschluss über die Entwicklung der
thermischen Eigenspannungen, als auch über Ort und Höhe der wirkenden
Spannungskomponenten. Ein wichtiges Resultat war, dass über 75% der relevanten
Spannungskomponenten bereits bei der Abkühlung durch die induzierten
thermischen Eigenspannungen entstehen. Weiterhin standen die Ergebnisse im Einklang mit experimentell ermittelten Daten und mikroskopisch beobachteten
Ereignissen. So konnte gezeigt werden, dass die herrschenden Spannungszustände
in guter Annäherung die auftretenden Versagensmechanismen beschreiben.
Des Weiteren wurden mehrere neue Ansätze zur Ergebnisinterpretation
verschienener Testmethoden verfolgt. Diese Vorgehensweisen lieferten ebenfalls
Informationen über den Status der Faser/Matrix-Grenzschicht. Es wurde
insbesondere bei den in dieser Arbeit untersuchten neuartigen Harzsystemen
deutlich, dass bisher gewonnenes Fachwissen auf dem Gebiet der Faser/Matrix-
Grenzfläche nicht zwingend auf neue Materialkombinationen übertragbar ist. Ferner
verweisen die Ergebnisse auf die Ernsthaftigkeit der Grenzschichtproblematik in
FKV, da deutlich herausgearbeitet wird, wie breit das Spektrum sein kann, über das
sich der Einfluss der Faser/Matrix-Grenzschicht erstreckt.