Beschreibung des orthotrop visko-elastoplastischen Verhaltens langglasfaserverstärkten Polypropylens - Versuchskonzept und FE-Simulation
- Energieeffizientere Konstruktionen insbesondere in der Automobilindustrie und bei
deren Zulieferern erfordern die Substitution schwerer Bauteile aus Stahl und anderen
metallischen Werkstoffen durch entsprechende Leichtbauvarianten aus Kunst- bzw.
Verbundwerkstoffen. Dieser Trend setzt sich nach der erfolgreichen Einführung von
Kunststoffbauteilen im Innenraum von Automobilen auch vermehrt bei sicherheitsrelevanten
Konstruktionen z.B. im Motorraum durch. Um die hohen Anforderungen an
die mechanischen Eigenschaften der verwendeten Materialien erfüllen zu können,
werden überwiegend Faserverbundwerkstoffe eingesetzt. Da im Rahmen der Bauteilentwicklung
der Einsatz der Finite-Elemente-Methode (FEM) mittlerweile zum
Stand der Technik gehört, müssen auch für Faserverbundwerkstoffe die entsprechenden
Materialmodelle auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft und gegebenenfalls
weiter oder neu entwickelt werden.
In dieser Arbeit wird ein Versuchs- und Auswertekonzept zur Bestimmung der mechanischen
Materialkennwerte von langglasfaserverstärktem Polypropylen (PP-LGF)
vorgestellt und validiert. Es wird orthotrop visko-elasto-plastisches Materialverhalten
des Verbundes angenommen. Zur Ermittlung der Datensätze für die FE-Simulation
werden Zug- und Schubversuche bei fünf unterschiedlichen Abzugsgeschwindigkeiten
von quasistatisch bis 10 m/s durchgeführt. Dabei werden mit Hilfe der Grauwertkorrelationsanalyse
berührungslos Dehnungsfelder auf der Oberfläche der Probekörper
erfasst und später mit Kraft-Zeit-Daten zu Spannungs-Dehnungs-Kurven verrechnet.
Das orthotrope Materialverhalten von PP-LGF wird berücksichtigt, indem
sowohl Zugversuche an Probekörpern mit vorwiegend in Zugrichtung als auch an
solchen mit überwiegend quer dazu orientierten Fasern ausgewertet werden.
Die Dehnratenabhängigkeit des Materials wird über einen visko-elasto-plastischen
Ansatz in 1D getrennt für zwei Zugbelastungsrichtungen mathematisch beschrieben
und die Parameter über einen Least-Square-Fit unter Verwendung des Levenberg-
Marquardt-Verfahrens bestimmt. Im Rahmen eines Vergleichs experimentell ermittelter
Verschiebungs- und Dehnungsfelder einer gelochten Zugprobe mit den Ergebnissen
einer korrespondierenden FE-Simulation wird ein orthotrop elasto-plastischer
Simulationsansatz in 3D validiert. Dabei wird eine Formulierung nach HILL für orthotropes
Fließen berücksichtigt. Am Ende der Arbeit wird gezeigt, inwieweit das erfolgreich
validierte Modell auf eine komplexere Bauteilgeometrie übertragen werden
kann. Es wird deutlich, dass bei sehr komplexen Geometrien die Qualität der Simulationsergebnisse
nicht nur vom verwendeten Materialmodell und der Güte der Materialparameter
abhängt, sondern zunehmend von der Qualität einer der FEM vorgeschalteten
Füllanalyse.