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- 2012 (1)
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- Doctoral Thesis (1)
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Für viele Anwendungen von Polymerkompositen steigt der Bedarf an multifunktionalen
Werkstoffeigenschaften, die elektrische Leitfähigkeit als integrierte
Funktionalität ist eine davon. Elektrisch leitfähige Polymerkomposite werden unter
anderem in explosionsgeschützten Anlagen oder in Bereichen eingesetzt, in denen
eine elektrostatische Ableitung gefordert wird.
Kohlenstoff-Nanoröhren (Carbon Nanotubes (CNTs)) sind aufgrund ihrer herausragenden
intrinsischen, vorwiegend mechanischen und elektrischen Eigenschaften
als Funktionsfüllstoff in polymeren Matrizes in das wissenschaftliche und industrielle
Interesse gerückt. Aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen, abhängig von ihren
Herstellungsverfahren von einwandigen bis mehrwandigen CNTs und ihrer vorhandenen
Defektdichte sowie strukturellen Aufbauten, ist jede CNT-Type als Individuum
zu betrachten. Unabhängig von existierenden Einflussfaktoren wie z.B. dem
Matrixpolymer und den Verarbeitungsbedingungen differieren je nach CNT-Type die
Nanokompositeigenschaften signifikant. Dies führt dazu, dass die Ergebnisse und
Erkenntnisse außerordentlich stark streuen. Dadurch sind allgemeingültige Aussagen
nur bedingt möglich. Häufig sind nicht alle notwendigen Details der Wertschöpfungskette
in Veröffentlichungen dargelegt, was die Nachvollziehbarkeit erschwert.
Industriell hergestellte, mehrwandige CNTs (MWNTs) sind verstärkt in das industrielle
Interesse gerückt. Die Erforschung von Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen
von CNT-Nanokompositen, außerhalb des Labormaßstabs, mit kommerziell
verfügbaren MWNTs und industriell relevanten Verarbeitungsverfahren, ist
weiter von ingenieurwissenschaftlicher Relevanz. Es besteht ein großer Bedarf an
Forschungsarbeiten, die klar herausstellen, welche Eigenschaftsprofile unter Beachtung
der notwendigen Wertschöpfungskette zu erzielen sind.
Bei der Kompoundentwicklung ist die gleichzeitige Verbesserung von Kompositeigenschaften
wie beispielsweise elektrischer, mechanischer und tribologischer Eigenschaften
anzustreben, um eine effektive Multifunktionalität zu erzielen. Die Funktionalisierung
mit mikroskaligen kurzen Kohlenstofffasern (SCFs) und mikroskaligem
Graphit ist Stand der Technik. Eine Kombination von nano- und mikroskaligen Füllstoffen
stellt große Potenziale zur Optimierung von Kompositeigenschaften bereit. Derartige Hybridwerkstoffe versprechen Synergien. Werden diese gezielt ausgenutzt,
lassen sich die Gesamteigenschaften über das Potenzial der Einzelfüllstoffe hinaus
optimieren. Es liegen wenige systematische Studien von Füllstoffkombinationen aus
MWNTs und SCFs oder Graphit vor. Zudem finden Hochtemperatur-Thermoplaste
wie das in dieser Arbeit eingesetzte Polyphenylensulfid (PPS) in der Literatur wenig
Beachtung, obwohl diese inzwischen industriell stark an Bedeutung gewinnen.
Ziel dieser Arbeit war die grundlagenorientierte, wissenschaftliche Betrachtung der
erreichbaren multifunktionalen Eigenschaften von PPS Kompositen durch den Einsatz
kommerziell verfügbarer MWNTs im direkten Vergleich und in Kombination mit
mikroskaligen SCFs und Graphit als Füllstoffe. Dazu wurden systematisch Kombinationen
der drei Füllstoffe untersucht, um eine effektive Multifunktionalität zu realisieren
und um die Effektivität der Einzelfüllstoffe in kombinierten Füllstoffsystemen zu
erforschen.
Neben der spezifischen elektrischen Leitfähigkeit und den mechanischen Eigenschaften
unter Zugbelastung bei Raumtemperatur wurden die tribologischen Eigenschaften
der Komposite untersucht. Über mikroskopische Verfahren, DSC-, DMTAund
Viskositätsuntersuchungen konnten wesentliche Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen
abgeleitet werden, indem die dafür notwendige Wertschöpfungskette
von der Kompositherstellung über Doppelschneckenextrusion und anschließender
Probenherstellung über Spritzguss als industriell relevante Herstellungsverfahren
Beachtung fand.
Über optimierte Prozessparameter (Schneckendesign, Drehzahl, Temperatur etc.)
der Doppelschneckenextrusion und des Spritzgusses konnte gezeigt werden, dass
elektrisch leitfähige PPS-Komposite mit geringsten MWNT-Füllstoffgehalten
(< 2 Gew.-%) unter Beibehaltung der Zugfestigkeit realisiert werden können. Dabei
wurde die Steifigkeit erhöht, die Zähigkeit erniedrigt.
Systematisch wurden monomodale Graphit/, SCF/, bimodale MWNT/Graphit/, Graphit/
SCF/, MWNT/SCF/ und multimodale MWNT/Graphit/SCF/PPS-Komposite hergestellt,
womit der jeweilige Füllstoffeinfluss auf das Eigenschaftsprofil untersucht
wurde. Sowohl die Steifigkeitssteigerung durch MWNTs und SCFs als auch die spezifischen
elektrischen Leitfähigkeiten der Komposite wurden mit bereits existierenden Modellen beschrieben. Für bimodale MWNT/SCF/PPS-Komposite konnte ein neuer
Modellansatz zur Beschreibung der elektrischen Leitfähigkeit erarbeitet werden.
Mit dieser Arbeit wurden erstmals Studien zu systematischen Füllstoffkombinationen
von MWNTs, Graphit und SCFs in PPS durchgeführt, Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen
abgebildet und die notwendige Wertschöpfungskette dargelegt.
Mit den neuen Ergebnissen und Erkenntnissen dieser Arbeit ist es zukünftig möglich,
durch eine optimierte Füllstoffkombination von MWNTs, SCFs und Graphit das Gesamteigenschaftsprofil
von PPS Kompositen zielorientiert einzustellen.
Durch diese Arbeit wurde klar herausgearbeitet, wie die Einzelfüllstoffe und insbesondere
deren Kombinationen das Eigenschaftsprofil beeinflussen. Daraus geht hervor,
dass MWNTs der effektivste Füllstoff zur Integration einer elektrischen Leitfähigkeit
ist. Dagegen bestimmen SCFs das mechanische und tribologische Eigenschaftsprofil
und Graphit dient zur Optimierung tribologischer Eigenschaften und insbesondere
zur Reduktion des Reibungskoeffizienten. Synergien zur Verbesserung
der elektrischen Leitfähigkeit zwischen SCFs und MWNTs wurden nachgewiesen,
speziell in Perkolationsnähe, dem Bereich, in dem die Leitfähigkeit um Dekaden ansteigt.