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Mehrschichtige Stahlbetonwandtafeln bestehen aus einer Trag- und Vorsatzschale aus Stahlbeton sowie einer innenliegenden Dämmschicht. Die als Fassade fungierende Vorsatzschale ist in der Regel nichttragend und dient als Wetterschutzschicht für die Wärmedämmung sowie zur Gestaltung des Gebäudes. Trotz der nichttragenden Funktion werden diese Fassaden massiv ausgeführt, da die innenliegende Bewehrung vor Korrosion geschützt werden muss. Das widerspricht dem Trend zu immer größeren, filigranen Sichtbetonfassaden, die ein Minimum an Fugen aufweisen. Durch innovative Entwicklungen im Bereich der Betontechnologie sowie in der Verankerungstechnik wird der Bau von filigranen, unbewehrten, energieeffizienten und nachhaltigen Architekturbetonfassaden mit wenigen Zentimetern Bauteildicke als Vorsatzschale von mehrschichtigen Stahlbetonwand-tafeln ermöglicht. Dieses Potential eröffnet sich durch die Verwendung von Ultrahochleistungsbetonen, die sich unteranderem durch ihre hohe Zug- und Biegezugfestigkeit auszeichnen. Durch Verbindungsmittel aus glasfaserverstärktem Kunststoff wird die Fassade mehrfach statisch unbestimmt befestigt. Aufgrund des vergleichsweise geringen Elastizitätsmoduls können die sonst kritischen Belastungen infolge Zwangs reduziert werden.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines abgesicherten Bemessungskonzeptes um unbewehrte, punktgestützte Fassaden als Vorsatzschicht in mehrschichtigen Stahlbetonwandtafeln bemessen zu können. Dabei liegt der Fokus auf der Berücksichtigung von Zwangseinwirkungen, Expositionen und geometrischen Einflüssen. Es werden umfangreiche, kleinmaßstäbliche Versuche durchgeführt, um den Maßstabseffekt, den Einfluss der Tragrichtung, des verwendeten Gesteins sowie Expositionen infolge Temperatur, Feuchtigkeit und Frost-Tau-Wechseln auf den Materialwiderstand zu untersuchen. In Großversuchen werden ausgewählte Expositionen sowie geometrische Parameter am Gesamtsystem erforscht. Weiterhin wird der Einfluss der lokalen und globalen Steifigkeit der Unterkonstruktion analysiert. In einem nächsten Schritt erfolgen die numerische Simulation des Fassadensystems und die Modellverifizierung anhand der Ergebnisse der Großversuche. Mithilfe einer Parameterstudie wird der Einfluss einer globalen und lokalen Steifigkeitsänderung der Unterkonstruktion untersucht. Ein weiterer Fokus liegt auf der Spannungsverteilung im Bereich einspringender Bauteilecken.
Die Ergebnisse münden in einem Bemessungskonzept und Konstruktionsregeln für die Fassadenplatte, Verbindungsmittel sowie die Verankerung. Für die Fassade wird ein Biege- und Normalkraftnachweis eingeführt. Die Verbindungsmittel werden auf Biegung und Zug, Schub und Stabilität nachgewiesen. Hinsichtlich der Verankerung wird ein Zug-, Querzug- und Drucknachweis geführt. Das Bemessungskonzept basiert auf einer Kombination der Bemessung von Glas- und Betonwerksteinfassaden, beinhaltet Geometriefaktoren wie im Holzbau und berücksichtigt erstmalig und planmäßig auch Zwangseinwirkungen. Die Berechnungsmodelle werden anhand der Versuchsergebnisse plausibilisiert. Ein semiprobabilistisches Teilsicherheitskonzept mit der Bestimmung des Teilsicherheitsbeiwertes für UHPC (engl. Ultra High Performance Concrete) sowie ein Resttragfähigkeitsnachweis runden die Arbeit ab.
Die Kopplung der Schalen mehrschichtiger Stahlbetonwandtafeln mit innenliegender
Wärmedämmung kann mit stabförmigen Verbindungsmitteln aus
glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) erfolgen. Diese Verankerungen weisen
gegenüber Edelstahlverankerungen Vorteile hinsichtlich der Dauerhaftigkeit und des
thermischen Verhaltens auf. Infolge der begrenzten Verformbarkeit der
Verbindungsmittel und zur Sicherstellung der Verankerung der Verbindungsmittel in
den Schalen sind für die Wandelemente neben den Nachweisen zur Tragfähigkeit
auch Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zu führen.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die wirklichkeitsnahe Ermittlung der
Schnittgrößen in der Vorsatzschale und die Berechnung der Relativverschiebung
zwischen den Schalen als Grundlage der Nachweiseführung. Insbesondere bei
hohen, schlanken Wandelementen ist das Verbundtragverhalten unter Einbeziehung
der innenliegenden Wärmedämmschicht dieser Bauteile zu berücksichtigen.
In einem ersten Bearbeitungsschritt erfolgt ein umfangreiches Versuchsprogramm
zur Analyse des Last-Verformungsverhaltens der Verbundfuge unter
Scherbeanspruchung. Darauf basierend wird ein mechanisches Modell entwickelt,
das eine allgemeingültige Berechnung der Verbundfugensteifigkeit als Grundlage der
weiteren Untersuchungen ermöglicht.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden in einem zweiten Bearbeitungsschritt
Lösungen dargelegt, welche die Berechnung der Funktionsverläufe der Schnitt- und
Verformungsgrößen aus der Verbundtragwirkung ermöglichen. Grundlage ist das
gekoppelte Differentialgleichungssystem der Sandwichtheorie. Für relevante Lastfälle
und Lagerungsbedingungen werden geschlossene, analytische Gleichungen zur
Berechnung der Extremalwerte erarbeitet. Das Berechnungsmodell wird im Rahmen
einer Versuchsreihe an mehrschichtigen Stahlbetonplattenstreifen mit den
Versuchsergebnissen verifiziert. Zur Abgrenzung von Fällen, bei denen auf eine
aufwändige Berücksichtigung der Verbundtragwirkung verzichtet werden kann,
werden Parameterstudien durchgeführt und praxisrelevante Fälle ausgewertet.
Abschließend werden grafische Berechnungshilfsmittel zur Ermittlung der maximalen
Zustandsgrößen infolge der Verbundtragwirkung angegeben.
Im dritten Teil der Arbeit wird der spezielle Fall des Einflusses einer
Ortbetonverfüllung auf das Schnittkraft- und Verformungsverhalten mehrschichtiger
Stahlbetonwandelemente betrachtet. Im Ergebnis der Untersuchungen wird
festgestellt, dass der Betonierdruck eine dauerhafte, nicht zu vernachlässigende
Vorspannung der Verbindungsmittel zur Folge hat. Für die Bemessung der
Verbindungsmittel unter Zugbeanspruchung wird empfohlen, 40% des rechnerischen
Frischbetondrucks als Zugbeanspruchung auf die Verbindungsmittel anzusetzen.
Weiterführende Untersuchungen zum Einfluss der Fugenvorspannung auf die
Schnitt- und Verformungsgrößen infolge Verbundwirkung ergeben, dass diese nicht
signifikant ist.