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Die kürzlich entdeckte Klasse der diversitätsgenerierenden Retroelemente (DGRs) kann ihrem
Wirt einen selektiven Vorteil über eine beschleunigte Proteinevolution verschaffen. Dazu
bedient sich das DGR eines nicht proliferativen „copy and replace“ Mechanismus, der
kodierende Sequenzinformation zielgerichtet von einem Templat Repeat über ein RNAIntermediat
zu einem spezifischen Gen transferiert. Die Sequenz wird während dem Prozess
hypermutiert, was vermutlich durch eine Fehleranfälligkeit der DGR-kodierten reversen
Transkriptase (RT) geschieht. Dabei kann die mutierte Sequenz eine höhere Diversität
erreichen, als es für die Antikörper und T-Zell-Rezeptoren des Immunsystems von Vertebraten
beobachtet wurde.
In dieser Arbeit wurde die Verteilung von DGRs in einer Stammsammlung von Cyanobakterien
untersucht. Dafür wurde ein Screening mit degenerierten Primern auf die DGR-kodierte RT
durchgeführt. Es konnten ca. 30 % (34) der analysierbaren Cyanobakterienstämme positiv auf
Präsenz eines DGRs getestet werden. Dazu gehört ein DGR aus Anabaena flos-aquae, von
dem auch die Sequenz ermittelt werden konnte. Dieses neu entdeckte DGR wurde zusammen
mit zwei weiteren DGRs aus Nostoc sp. PCC7120 und Treponema denticola auf Aktivität
untersucht, wobei die letzten beiden Elemente eine DGR-vermittelte Variation gezeigt haben.
Das demonstriert die Funktionsfähigkeit der Elemente, gibt aber zugleich einen Hinweis auf
eine starke Regulation, da die beobachtete Frequenz der Diversifizierung sehr gering war.
Eine Regulation wäre vorteilhaft für den Wirt, da vermutlich ein Großteil der Mutationen die
Funktion der variablen Proteine beeinträchtigt.
Von dem funktionsfähigen DGR aus Nostoc sp. PCC7120 wurde anschließend die Struktur
des RNA-Intermediats bioinformatisch und experimentell aufgeklärt. Dabei handelt es sich um
die erste aufgeklärte Struktur von RNA-Intermediaten aus DGRs. Basierend auf den Daten
konnte eine Konsensus-Struktur für 13 Sequenzen aus Cyanobakterien, grünen
Schwefelbakterien, Purpurbakterien, Treponema denticola und dem Bordetella-Phagen
berechnet werden, in der vier Haarnadelstrukturen konserviert zu sein scheinen. Diese
Strukturelemente könnten auf eine konservierte Funktion des RNA-Intermediats hinweisen
und eine hochaffine Bindestelle für die DGR-kodierte RT bereitstellen bzw. für eine
katalytische Aktivität als Endonuklease benötigt werden.
Damit liefert diese Arbeit einen wichtigen Beitrag für die experimentelle Identifizierung von
DGRs, sowie deren Verteilung und Regulation in Bakterien. Desweiteren bietet die Arbeit
einen Hinweis darauf, dass es sich bei dem RNA-Intermediat nicht nur um eine mobile
Komponente handelt, sondern weitere Funktionen hinzukommen könnten.