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Formalismen und Anschauung
(1999)
In der Philosophie ist es selbstverständlich, daß Autoren, die Erkenntnisse früherer Philosophen weitergeben oder kommentieren, die Originalliteratur kennen und sich in ihrer Argumentation explizit auf bestimmte Stellen in den Originaldarstellungen beziehen. In der Technik dagegen ist es allgemein akzeptierte Praxis, daß Autoren von Lehrbüchern, in denen Erkenntnisse früherer Forscher dargestellt oder kommentiert werden, nicht die Originaldarstellungen zugrunde legen, sondern sich mit den Darstellungen in der Sekundärliteratur begnügen. Man denke an die Erkenntnisse von Boole oder Maxwell, die in sehr vielen Lehrbüchern der Digitaltechnik bzw. der theoretischen Elektrotechnik vermittelt werden, ohne daß die Autoren dieser Lehrbücher auf die Originalschriften von Boole oder Maxwell Bezug nehmen. Dagegen wird man wohl kaum ein Buch über Erkenntnisse von Aristoteles oder Kant finden, dessen Autor sich nicht explizit auf bestimmte Stellen in den Schriften dieser Philosophen bezieht.
Die systemtheoretische Begründung für die Einführung des Zustandsbegriffs findet man im Mosaik-stein "Der Zustandsbegriff in der Systemtheorie". Während sich die dortige Betrachtung sowohl mitkontinuierlichen als auch mit diskreten Systemen befaßt, wird hier die Betrachtung auf diskrete Sy-steme beschränkt.
Umgangssprachlich wurde das Wort Daten schon gebraucht, lange bevor der Computer erfundenwurdeund die AbkürzungEDV für "Elektronische Datenverarbeitung" in die Alltagssprache gelangte.So sagte beispielsweise der Steuerberater zu seinem Klienten: "Bevor ich Ihre Steuererklärung fertigmachen kann, brauche ich von Ihnen noch ein paar Daten." Oder der Straßenbaureferent einer Stadtschrieb an den Oberbürgermeister: "Für die Entscheidung, welche der beiden in Frage stehenden Stra-ßen vorrangig ausgebaut werden soll, müssen wir noch eine Datenerhebung durchführen." Bei diesenDaten ging es zwar oft um Zahlen - Geldbeträge, Anzahl der Kinder, Anzahl der Beschäftigungsmo-nate, gezählte Autos - , aber eine Gleichsetzung von Daten mit Zahlen wäre falsch. Zum einen wärenZahlen ohne mitgelieferte Wörter wie Monatseinkommen, Kinderzahl u.ä. für den Steuerberater nutz-los, zum anderen will das Finanzamt u.a. auch den Arbeitgeber des Steuerpflichtigen wissen, und dazumuß eine Adresse angegeben werden, aber keine Zahl.
Für die Systemtheorie ist der Begriff Zustand ein sehr zentraler Begriff. Das Wort "Zustand" wird um-gangssprachlich recht häufig verwendet, aber wenn man die Leute fragen würde, was sie denn meinen,wenn sie das Wort Zustand benützen, dann würde man sicher nicht die präzise Definition bekommen,die man für die Systemtheorie braucht.
In diesem Aufsatz geht es um eine Klassifikation von Programmen nach zwei orthogonalen Kriterien.Programm und Software werden dabei nicht als Synonyme angesehen; Programm sein wird hiergleichgesetzt mit ausführbar sein, d.h. etwas ist dann und nur dann ein Programm, wenn man die Fragebeantworten kann, was es denn heißen solle, dieses Etwas werde ausgeführt. Es gibt durchaus Softwa-regebilde, bezüglich derer diese Frage keinen Sinn hat und die demzufolge auch keine Programme sind - beispielsweise eine Funktions - oder eine Klassenbibliothek.Klassifikation ist von Nutzen, wenn sie Vielfalt überschaubarer macht - die Vielfalt der Schüler einergroßen Schule wird überschaubarer, wenn die Schüler "klassifiziert" sind, d.h. wenn sie in ihren Klas-senzimmern sitzen. Die im folgenden vorgestellte Klassifikation soll die Vielfalt von Programmenüberschaubarer machen.
Bei der Programmierung geht es in vielfältiger Form um Identifikation von Individuen: Speicherorte,Datentypen, Werte, Klassen, Objekte, Funktionen u.ä. müssen definierend oder selektierend identifiziert werden.Die Ausführungen zur Identifikation durch Zeigen oder Nennen sind verhältnismäßig kurz gehalten,wogegen der Identifikation durch Umschreiben sehr viel Raum gewidmet ist. Dies hat seinen Grunddarin, daß man zum Zeigen oder Nennen keine strukturierten Sprachformen benötigt, wohl aber zumUmschreiben. Daß die Betrachtungen der unterschiedlichen Formen funktionaler Umschreibungen soausführlich gehalten sind, geschah im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Begriffswelt der funktionalen Programmierung. Man hätte zwar die Formen funktionaler Umschreibungen auch im Mosaikstein "Programmzweck versus Programmform" im Kontext des dort dargestellten Konzepts funktionaler Programme behandeln können, aber der Autor meint, daß der vorliegende Aufsatz der angemessenerePlatz dafür sei.