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Angesichts des anhaltenden demografischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels steht die Stadtplanung großen Herausforderungen gegenüber. Insbesondere die Reaktivierung und Revitalisierung der innerstädtischen Bereiche als den räumlichen, funk-tionalen und emotionalen Zentren der Städte bilden hierbei ein wesentliches Handlungsfeld. Neben den Auswirkungen auf den gesamten Planungsprozess beeinflussen die daraus resultierenden Handlungserfordernisse insbesondere den stadtplanerischen Entwurf im Sinne der Organisation räumlicher Strukturen und ihrer Wechselwirkungen. Aufgrund der hohen Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben beim Entwerfen im innerstädtischen Kontext kommt hierbei den informationstechnischen Möglichkeiten der I&K-Technologien in Form von Visualisierungen und Simulationen große Bedeutung zu.
Vor dem Hintergrund der Herausforderungen des Entwerfens im innerstädtischen Kontext liegt das Ziel der Arbeit in der Erarbeitung von Ansätzen zur Qualifizierung des stadtpla-nerischen Entwurfsprozesses durch computerbasierte Visualisierungen und Simulationen. Hierbei gilt es zunächst, die gegebenen Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen in den Innenstädten hinsichtlich der daraus resultierenden Handlungserfordernisse für das stadtplanerische Handeln zu untersuchen. Besagte Erfordernisse umfassen beispielsweise die Stärkung der Innenstädte als Wohnstandort, als Zentren des Handels, der Dienstleistung und der Kultur sowie als Bereiche hoher Dichte und Nutzungsmischung. Gleichzeitig gilt es, den Forderungen der integrierten Innenstadtentwicklung gerecht zu werden, in deren Rahmen ein tragfähiger stadtplanerischer Entwurf, unter Berücksichti-gung ganzheitlicher Strategien, zum raumverträglichen und zukunftsfähigen Ausgleich der unterschiedlichen Ansprüche und Interessen beitragen muss.
Bezogen auf die Möglichkeiten zur Unterstützung und Qualifizierung des Entwurfsprozes-ses durch Visualisierung raumbezogener Informationen und möglicher Entwicklungszu-stände steht neben der Analyse bestehender Techniken und Anwendungen die Ausei-nandersetzung mit einer Vielzahl technischer Neuerungen im Fokus. Diese technischen Neuerungen zeigen sich insbesondere in den Bereichen der GI-Systeme, der 3D-Stadtmodelle, der sog. ‚Neogeografie’ sowie der ‚Augmented Reality’ und ‚Virtual Reality’. Im Rahmen der Notwendigkeit zur Simulation dynamischer urbaner Prozesse bildet die Suche nach flexiblen, modular erweiterbaren Simulationsarchitekturen sowie die Möglich-keiten zur Simulation räumlicher und gesellschaftlicher Prozesse mittels automatenbasier-ter Modelle den Schwerpunkt.
Zusammenfassend erfordert der effektive und ökonomische Einsatz von Anwendungen der Visualisierung und Simulation die enge Verknüpfung und Abstimmung der gegebenen Einsatzmöglichkeiten mit den inhaltlichen und methodischen Anforderungen des stadtpla-nerischen Entwurfs.
Im Ergebnis werden zwei Ebenen zur Qualifizierung des innerstädtischen Entwurfspro-zesses durch Techniken und Anwendungen der Visualisierung und Simulation identifiziert und daraus Ansätze für neue Entwurfstools abgeleitet. Die erste Ebene beinhaltet die me-thodisch-inhaltliche Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten zur Verknüpfung von Vi-sualisierungen und Simulationen mit den jeweiligen Stufen des stadtplanerischen Ent-wurfsprozesses sowie den dort zu leistenden Aufgaben. Die zweite Ebene bildet schließlich die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten zur zielgerichteten Weiterentwicklung und/ oder Synthese bestehender Techniken und Anwendungen.
In seiner Entwicklungsgeschichte hat der stationäre Einzelhandel eine enorme Wandlungsfähigkeit bewiesen. Dieser hat er es zu verdanken, dass er bis heute eine zentrale Funktion der Innenstadt darstellt. Allerdings wird die Stabilität der innerstädtischen Einzelhandelslagen seit einigen Jahren zunehmend auf die Probe gestellt. Mit dem Online-Handel als sich etablierenden neuen Absatzkanal mit wachsenden Umsatz- und Nutzerzahlen, bekommen die innerstädtischen Einzelhandelslagen einerseits deutliche Konkurrenz. So eignet sich das innerstädtische Sortiment besonders gut für den Online-Vertrieb. Umsatzeinbußen in den lokalen Geschäften, Geschäftsaufgaben, Ladenverkleinerungen, Leerstände sowie eine Abwertung der innerstädtischen Einzelhandelslagen sind die Folgen. Andererseits stellen der Online-Handel sowie einkaufsunterstützende digitale Medien eine Chance dar, die innerstädtischen Einzelhandelslagen für das digitale Zeitalter zu qualifizieren und hiermit zukunftsfähig zu halten. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Konsumenten zu. Die innerstädtischen Einzelhandelslagen müssen an die, u.a. aus den Einfluss digitaler Medien im Allgemeinen und dem Online-Handel im Besonderen, resultierenden veränderten Bedürfnisse und Anforderungen der Konsumenten angepasst werden, wenn sie keinen Attraktivitätsverlust erleiden sollen. Eine schwierige Aufgabe, zeichnet sich doch das Kauf- und Konsumverhalten der ‚Neuen Konsumenten‘ durch Hybridität bzw. Multioptionalität aus. Diese macht ständige Neuausrichtungen und Anpassungen der Einzelhandelsbetriebe und Unternehmen erforderlich, welche durch die gestiegene Informiertheit, die höhere Anspruchshaltung, die Sprunghaftigkeit und Spontanität der Konsumenten sowie ihre abnehmende Loyalität mit den Anbietern erschwert werden.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass zukünftig – abhängig von ihrer Lokalisierung in räumlich und strukturell begünstigten oder benachteiligten Städten – unterschiedliche Herausforderungen auf die innerstädtischen Einzelhandelslagen zukommen werden. Unter benachteiligte Städte werden strukturschwache Kommunen mit negativer Bevölkerungsentwicklung, geringer Zentralität und geringer wirtschaftlicher Anziehungskraft für das Umland gefasst, während sich begünstigte Städte durch wirtschaftliche Prosperität, Zentralität und Bevölkerungswachstum auszeichnen. Während innerstädtische Einzelhandelslagen in benachteiligten Städten vor allem negative Folgen zu erwarten haben und folglich akuter Handlungsbedarf besteht, können innerstädtische Einzelhandelslagen in räumlich-strukturell begünstigten Städten i.d.R. von der Digitalisierung und dem veränderten Kauf- und Konsumverhalten der Konsumenten profitieren. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den charakteristischen Merkmalen einer Innenstadt zu. Sie zeichnet sich im Idealfall durch Zentralität, Bedeutungsüberschuss, Dichte und Nutzungsmischung, eine hohe Besucherfrequenz sowie einen hohen Identifikationsgrad bzw. Authentizität aus. Diese Standortvorteile verhelfen innerstädtischen Einzelhandelslagen in begünstigten Städten zu einem Alleinstellungsmerkmal gegenüber konkurrierenden lokalen Einzelhandelsstandorten sowie gegenüber dem Online-Handel. So gewinnen Atmosphäre und zentrales Erleben bei Konsumenten, die das Internet nutzen, an Bedeutung. Qualitativ hochwertige innerstädtische Einzelhandelslagen erlangen somit eine neue Anziehungskraft.
Handlungsbedarf besteht folglich vor allem in den räumlich-strukturell benachteiligten Städten. Aber auch die begünstigen Städte brauchen Unterstützung, um die innerstädtischen Einzelhandelslagen den Bedürfnissen der Konsumenten nach Erlebnis, Bequemlichkeit, Individualität, Flexibilität, Schnelligkeit etc. entsprechend zu gestalten sowie die Voraussetzungen für den Einsatz einkaufsunterstützender digitaler Medien zu schaffen.
Als Modellansatz sind drei Strategieansätze im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzepts umzusetzen:
1. Befähigende Ansätze: Hierzu zählt einerseits die Schaffung der technischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit, funktioneller Zuverlässigkeit, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit der technischen Infrastruktur und der digitalen Medien. Konkret sind der Ausbau flächendeckender Breitbandverbindungen und eines frei zugänglichen WLAN-Netzes in den Innenstädten sowie der Einsatz von elektronischer Authentisierung und biometrischen Verifikationssystemen anzuraten. Andererseits gilt es, die Medienkompetenz der Einzelhändler und der Konsumenten für den Umgang und die Nutzung digitaler Medien zu schulen. Die Nutzerfreundlichkeit muss durch eine qualitätvolle HCI (Human Computer Interaction) sowie den Einsatz von Feature based visualization verbessert werden. Weiterhin ist die Nutzung von Multi-Channel-Retailing, der Verknüpfung des stationären Handels mit dem Online-Handel, zu unterstützen.
2. Steuernde Ansätze: Vor dem Hintergrund des engen finanziellen Gestaltungsspielraums der Mehrheit der Kommunen sollten die Städtebauförderprogramme und die Förderprogramme zur Breitbandförderung gezielt genutzt und weiterentwickelt werden. Weiterhin gilt es die Effektivität der Steuerung über die Stärkung gemeinschaftlichen Handelns zu verbessern. Es sind hierbei sowohl Kooperationen zwischen Kommunen, Handel und Eigentümern zu unterstützen als auch die Bevölkerung verstärkt in bedeutsame Umgestaltungsprozesse in der Innenstadt einzubinden.
3. Stärkende Ansätze: Unter dem Ansatz der Stärkung werden die Verbesserung der Aufenthaltsqualität sowie die Schaffung von Strukturen für eine zukunftsfähige Mobilität verstanden. Um die Aufenthaltsqualität und damit die Attraktivität der innerstädtischen Einzelhandelslagen zu erhöhen, muss frühzeitig ein angepasstes Leerstandsmanagement initiiert, Einkaufsbereiche konzentriert, eine attraktive Gestaltung und Möblierung unterstützt sowie die Innenstadt entsprechend ihrer besonderen Merkmale inszeniert werden. Eine zukunftsfähige Mobilität innerhalb der Innenstadt ist durch Maßnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeit der innerstädtischen Einzelhandelslagen sowie der Förderung zukunftsfähiger Mobilitätsformen zu unterstützen.
Insgesamt sollen besagte Strategieansätze dazu beitragen, die Voraussetzungen für die Digitalisierung des innerstädtischen Einzelhandels zu schaffen, die analysierten Restriktionen der Innenstadt abzumildern sowie die besonderen Potenziale der innerstädtischen Einzelhandelslagen im Sinne von Alleinstellungsmerkmalen hervorzuheben, um die innerstädtischen Einzelhan-delslagen für das digitale Zeitalter zu qualifizieren.
Aufgrund ihrer Besonderheiten und Merkmalen ist die Innenstadt als wichtigster Stadtteil einer Stadt zu charakterisieren. Aufgrund der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg und den anschließenden Entwicklungen hat die Innenstadt an urbaner Qualität eingebüßt. Dies ist unter anderem darin begründet, dass eine Verdrängung der Wohnfunktion aus der Innenstadt an den Stadtrand oder ins Umland stattfindet. Die Stärkung der Wohnfunktion ist eine Grundvoraussetzung zur Wiedergewinnung urbaner Qualitäten und zur nachhaltigen Revitalisierung und Stabilisierung der Innenstadt. Das Wohnen an sich ist ein multidimensionales Phänomen mit vielfältigen Wirkungsgefügen und Verflechtungen. Zur Ableitung von Konzepten und Handlungsmaßnahmen sind die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung durch verschiedene Klassifizierungen zu erheben und mit den so genannten Megatrends -allen voran der demografischen Entwicklung- und den spezifischen Kommunalsituationen zu überlagern. An diesem Prozess ist mit steigender Tendenz eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Akteuren beteiligt. Gängige Darstellungsmethoden der Stadtplanung sind nur bedingt geeignet, die komplexen Wirkungsgefüge sowie die Ein- auf und Auswirkungen von Vorhaben als Informationen transparent und nachvollziehbar abzubilden. Der Einsatz von Mixed Reality-Techniken und von immersiven Szenarien zur Unterstützung von Entscheidungssituationen in stadtplanerischen Aufgabenfeldern ist als qualifizierend für diese einzustufen. Durch Mixed Reality-Techniken, die reale Gegebenheiten und virtuelle Objekte gleichzeitig überlagert abbilden, ist es im Sinne einer Ergebnisvisualisierung möglich, sowohl Handlungsbedarfe in der Bestandssituation zu identifizieren als auch die visuellen Ein- und Auswirkungen von Vorhaben originalmaßstäblich und dreidimensional zu simulieren. Darüber hinaus können auch originär nicht visuell wahrnehmbare Informationen visuell abgebildet werden. Neben den technischen Ausstattungen ist hierfür ein virtueller, generischer Datenschatten notwendig, der ein digitales Abbild der Realität und der geplanten Vorhaben darstellt. Der bislang theoretische Ansatz der immersiven Szenarien ist der nächste Schritt im Bereich der computergestützten Daten- und Informationsvisualisierung beziehungsweise -darstellung. Über die Ergebnisvisualisierung hinaus sind immersionserzeugende Systeme in der Lage, einen Benutzer in eine Situationsdarstellung zu versetzen, in der er nicht mehr zwischen realen und virtuellen Objekten unterscheiden kann. Zugleich bedeutet dies, dass er mit allen virtuellen Objekten intuitiv interagieren kann. Der Benutzer wird dadurch Teil des Szenarios. Seine Aktionen wirken sich wahrnehmbar rekursiv auf das Szenario aus. Sowohl Mixed Reality-Techniken als auch immersive Szenarien können für Entscheidungssituationen im Bereich des thematisierten Wirkungsgefüge ‚innerstädtisches Wohnen’ die Entscheidungsgrundlagen auf den Betrachtungsebenen Wohnstandort, Wohnanlage und Wohnung für alle beteiligten Akteure qualifizieren. Sie sind geeignet, um Handlungserfordernisse transparent und nachvollziehbar abzubilden sowie die visuell wahrnehmbaren und originär nicht visuell wahrnehmbaren Konsequenzen von Wohnbauvorhaben abzuschätzen. Anhand des innerstädtischen Projektes „Glockencarré Kaiserslautern“ wurden hierzu die Möglichkeiten der Augmented Reality-Technik (als eine Ausprägung der Mixed Reality-Techniken) aufgezeigt und die Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche Akteursgruppen charakterisiert.