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- 2008 (1)
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Faculty / Organisational entity
Der stetige Fortschritt in der Fahrzeugakustik zeigt sich besonders in dem gewonnenen Komfort-eindruck, obwohl die Ausstattungsmöglichkeiten durch Nebenaggregate (Mechatroniksystemen) an Anzahl, Funktion und Leistung deutlich zugenommen haben. Besonders Fahrzeuge der Oberklasse weisen eine Vielzahl von „mechatronischen“ Systemen mit den unterschiedlichsten Aktuatoren auf. Als Beispiele seien hier genannt: die hydraulische Wankstabilsierung und Lenkhilfe, die pneumati-sche Niveauregulierung, das elektrohydraulische Bremsregelsystem, das Hochdruckeinspritzsystem der Kraftstoffanlage oder die Vielzahl der elektrischen Stellmotoren, z.B. im Fensterheberantrieb, in Lenksäulen- oder Sitzverstellungen, usw. Die Leistungs- und Medienversorgung durch Stromkabel, Luftkanäle, Kraftstoff-, Rohr- und Schlauchleitungen stellen durch deren Verbindungen der Aggregate zur Karosserie auch Körper-schallnebenwege dar. Hierbei werden neben dem Körperschalleintrag des Verbrennungsmotors auch die Funktionsgeräusche der Hilfsaggregate selbst in den Fahrzeuginnenraum übertragen. Auf-grund der Vielzahl der Mechatroniksysteme und damit verbundenen Schallnebenwege übersteigt der Geräuschbeitrag die klassischen Schallpfade, wie Motorlagerung und Antriebsstranglagerung. Die Reduktion der Geräuschemission von Nebenaggregaten besitzt heute die gleiche Bedeutung in der Fahrzeugentwicklung wie die klassischen Themen der Strukturdynamik, Antriebs- und Strö-mungsakustik. Eine besondere Bedeutung haben hierbei die Schlauchleitungen der hydraulischen Lenkung und Wankstabilisierung, der Kraftstoffversorgung und der Klimaanlage. Sie stellen durch ihre Verbin-dung von Motoraggregat (Pumpe, Kompressor) zu Karosserieaggregat (Lenkgetriebe, Ventilblock) eine Körperschallbrücke dar. Die konstruktive Gestaltung der Schlauchleitungen und die geometri-sche Verlegung im Fahrzeugbauraum haben einen gravierenden Einfluss auf die Geräuschübertra-gung. Eine kostengünstige und gewichtsreduzierte Konstruktion mit ausreichender Einfügedäm-mung ist nur durch präzise Konstruktionsabstimmung innerhalb der frühen Phase des Produktent-wicklungsprozesses möglich. In dieser Gestaltungsphase werden die Konstruktionskonzepte der einzelnen Baugruppen festgelegt. Dies geschieht überwiegend am „virtuellen“ Gesamtfahrzeugmo-dell. Die Absicherung der Konzeptstudien durch Messungen am Gesamtfahrzeug hinsichtlich der Grenzwerteinhaltung ist deshalb nicht möglich. Auch Erfahrungswerte sind zur Beantwortung spe-zifischer Fragestellungen bei Weitem nicht ausreichend, weshalb auf Komponentenversuche oder Simulationen zurückgegriffen werden muss. Die akustische Beurteilung bedingt hierbei allerdings eine Grenzwertableitung aus dem Gesamtfahrzeug zum Mechatroniksystem, bzw. sogar ein „Run-terbrechen“ auf die Ebene der Einzelkomponenten. Die Aufgabe dieser Arbeit war es, funktionale Abhängigkeiten der Körperschallübertragung von konstruktiven Auslegungen biegeschlaffer Schlauchleitungen nachzuweisen. Hierzu mussten für die Berechung die fehlenden dynamische Steifigkeiten der Schlauchwandung und des Systems Öl-Schlauchwand der im Fahrzeug verlegten Schlauchleitungen ermittelt werden. Die Vielzahl der Schlauchmaterialien wurde durch definierte Schlauchproben repräsentiert. Zur Bestimmung der kinematischen Kenngrößen wurden zunächst neue Prüfstandskonzepte entwickelt, welche Schlauchverlegungen unter den in Fahrzeugen herrschenden Randbedingungen zulassen. Nach mehreren Konzeptverbesserungen und Wirksamkeitsprüfungen wurde ein „Akustik-Schlauchprüfstand“ konstruiert und gebaut. Mit diesem „Akustik-Schlauchprüfstand“ können nun die Körperschallübertragungseigenschaften von viskoelastischen Schlauchmaterialien und elastischen Stahl- bzw. Wellrohren auch außerhalb des Gesamtfahrzeugaufbaues fahrzeugunabhängig ermittelt werden. Eine Berücksichtigung der Fahrzeugrandbedingungen erfolgt hierbei durch die äußeren Lasten in Form eines Betriebskennfel-des. Das Betriebskennfeld, gebildet durch die äußeren Lasten des Fluiddrucks und der Umgebungs-temperatur, wird durch den wesentlichen geometrischen Lastfall der Biegeverlegung in Abhängig-keit vom Biegeradius ergänzt. Das Verhalten der kinematischen Steifigkeiten im Betriebskennfeld gibt Aufschluss über die für den Konstrukteur wichtigen Beeinflussungsmöglichkeiten der akusti-schen Übertragungseigenschaften. Aufgrund der kinematischen Verhärtung von viskoelastischen Materialien müssen die System-kenngrößen ermittelt werden. Dies bedeutet z.B. für das Elastizitätsverhalten nicht, die Steife zu bestimmen, sondern deren akustische Wirkung als kinematische Steife im für die Fahrzeugakustik relevanten Frequenzbereich 100 Hz bis 1000 Hz. Aufgrund des meist vorherrschenden linearen Amplitudenverhaltens im Betriebspunkt kann zur Dämpfungsberücksichtigung auf das lineare Kel-vin-Voigt Modell zurückgegriffen werden. Eine Vereinfachung der mathematischen Formulierun-gen der System- und Materialeigenschaften bietet hierbei die zulässige Beschränkung auf reine harmonische Schwingungen und die Berücksichtigung der Dämpfung durch die Einführung der komplexen Steife bzw. des komplexen E-Moduls. Nach einem Überblick über vorangegangene Arbeiten (Kapitel 2) werden zunächst die akustischen Grundlagen zur Beschreibung der komplexen Kenngrößen, wie kinematische Steife und E-Modul der Schlauchproben, aufgezeigt. Das Phänomen der Kontinuumschwingungen des massebehafteten Schlauches und die Ausbildung der stehenden Körperschallwellen in ihrer modalen Ausprägung als Dehn-, Torsion und Biegewelle werden erläutert (Kapitel 3). Zur Verifizierung der Messergebnisse wurden versuchsbegleitend Berechnungsmodelle der Schlauchproben entwickelt. Basierend auf der Technik der akustischen „Mehrpolmatrizen“ lassen sich mit ausreichender Genauigkeit die Verteilung der Kraft- und des Körperschallschnellepegels längs der Schlauchprobe sowie deren modale Schwingformen beschreiben (Kapitel 4). Die Mög-lichkeit, einen druckbelasteten Hydraulikschlauch mit einem simulatorisch modifizierbaren Fluid im Betriebskennfeld abzubilden, ist besonders zum Verständnis des Masseverhaltens und der hyd-raulischen Steife von Ölen hilfreich. Inspiriert durch den Zweimassenschwingeraufbau als akustischem „Tonpilz“ wurde ein Prüfstand-konzept erarbeitet (Kapitel 5.1). Hierzu wurden Versuchseinrichtungen zum Aufprägen von Flu-iddruck und homogener Wärmebelastung bei einstellbarer Biegeverlegung der Schlauchproben in einer entsprechend konstruierten Wärmekammer entwickelt. Mit Hilfe einer Aufspannvorrichtung werden selektiv die Schwingmoden des Kontinuums der technisch wichtigen stehenden Dehn-, Torsion- und Biegewellen kraftangeregt. Die sich einstellenden Eigenresonanzlagen werden mess-technisch in allen Raumrichtungen zeitgleich erfasst. Speziell konstruierte Impedanzmessköpfe für die Erfassung der statischen und kinematischen Messwerte erreichen bis zur Grenzfrequenz von 2 kHz die für eine Wellenreflexion ausreichend hohe dynamische Masse am Probenanfang und -ende. Zentrales Thema der experimentellen Untersuchungen ist das Materialverhalten im Betriebskenn-feld (Kapitel 5.2). Mit Hilfe exakter Eigenfrequenz- und Eigenmodemessungen wird der komplexe kinematische E-Modul des Schlauchs als Systemgröße bestimmbar. Die Berücksichtigung eines anisotropen Elastizitätsverhaltens der Schlauchwandung gelingt durch hierfür abgeleitete Glei-chungen: Mittels Gleichsetzen der reduzierten Kompressionsmodule, beschrieben durch die Korte-weg-Gleichung und dem zu Grunde liegenden Schlauch-Öl Federmodell, ergibt sich die Dehnwel-lensteife der Schlauchwandung. Ergänzend zum Kinematikfaktor, welcher das Verhältnis der stati-schen zur kinematischen Materialsteife beschreibt, wird der „Isotropenfaktor“ zur Beschreibung der Richtungsabhängigkeit des E-Moduls eingeführt. Alle dominanten Einflüsse und akustischen Zusammenhänge der Materialeigenschaften und ihrer geometrischen Größen werden funktional beschrieben und die Auswirkungen auf die Körperschallübertragung diskutiert. Die Betrachtungs-weise der gebogenen Schlauchleitungen und die damit verbundene Veränderung der Wellenge-schwindigkeit relativ zu geraden Schlauchproben sowie die durch Biegeverlegung mögliche Kopp-lung von Dehn- und Biegewelle werden formal mit dem Biegeradius, der Schlauchlänge und der Anregekraft mathematisch verknüpft. Für die praktische Anwendung zur kinematischen Schlauchprobenbeschreibung erfolgt eine Ap-proximation an die akustischen Kenndaten in einem Standardversuch. Nach Linearisierung ihn den Hauptbetriebspunkten kann das Schlauchsystem kinematisch durch Kennzahlen beschrieben wer-den. Hierdurch ist eine Klassifizierung in Entwicklungslastenheften möglich. Aus den Versuchen ermittelte Faktoren und Exponenten bieten die Möglichkeit, durch Gleichungen die Abhängigkeit der Körperschallübertragung von Druckbelastung, Materialtemperatur und Schlauchbiegeradius zu berücksichtigen. Mit dem „Akustik-Schlauchprüfstand“ und den in dieser Arbeit beschrieben Berechnungsverfahren können nun fahrzeugunabhängig auf einem Komponentenprüfstand die Körperschallübertragungs-eigenschaften der viskoelastischen Schlauchmaterialien im Betriebskennfeld ermittelt werden. Es erschließt sich ein weiteres Potenzial der akustischen Verbesserung der Dämmungseigenschaften von Schläuchen aufgrund ermittelbarer kinematischer Kenngrößen. Eine akustischen Kriterien folgende Schlauchmaterialauswahl und die entsprechend definierte Biegeverlegung ist nun mög-lich. Weitere Untersuchungen sollten der Kopplung von Dehn- und Biegewelle, ergänzt durch eine Tor-sionswellenüberlagerung, gelten. Auch ist die Funktion der Eingangsimpedanzen des „halbunendli-chen“ Schlauches bei der Wellenformkopplung zu ergründen. Ein Ansatz könnte das Aufstellen einer „Wellenkopplungsfunktion“ in Abhängigkeit der Biegeverlegung und der entsprechenden Implementierung in eine „Mehrpolübertagungsmatrix“ sein.