NMR-spektroskopische Untersuchungen der Struktur und der Dynamik des Aktomyosinsystems

  • Aktin und Myosin sind die beiden wichtigsten molekularen Komponenten der Myofibrillen, die für die Muskelkontraktion verantwortlich sind. In Nichtmuskelzellen bildet Aktin die Mikrofilamente, die wiederum über Wechselwirkungen mit Myosin kontraktile Einheiten bilden. In der vorliegenden Arbeit wurden strukturelle Aspekte und Funktion der beiden Motor-proteine sowie ihre Interaktion mittels der hochauflösenden Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) untersucht. Die Struktur von filamentösem Aktin (F-Aktin) wird durch das komplexierte bivalente Ion beeinflußt. Mit drei voneinander unabhängigen Methoden wurde gezeigt, daß in Mg 2+ -F-Aktin im Gegensatz zu Ca 2+ -F-Aktin die N-terminalen Domänen der Monomereinheiten hochmobil sind. Sie sind durch 1 H-NMR-Signale mit schmaler Linienbreite charakterisiert, die selbst im polymeren Zustand im Filament zu beobachten sind. Die chemische Modifikation des Cys 374 mit dem Markierungsreagenz 4-Perfluorotert.-butylphenyliodacetamid (PFP) ermöglichte die Untersuchung des C-Terminus mit der 19 F-NMR-Spektroskopie. Unabhängig vom gebundenen Ion wurden die intensiven 19 F-Signale des G-Aktins nach der Polymerisation zu F-Aktin sehr stark verbreitert. Dies bewies die Immobilisierung des C-Terminus und damit, daß die scharfen NMR-Signale des Mg 2+ -F-Aktins von anderen Domänen stammen müssen. Die Bindung von Antikörperfragmenten (Fab) gegen die ersten sieben Aminosäurereste des Aktins führte zur Unterdrückung der scharfen 1 H-NMR-Signale des Mg 2+ -F-Aktins, die der mobilen Region zugeordnet waren. Dies deutete auf stark bewegliche Aminosäurereste im N-Terminus nach der Polymerisation hin. Schließlich wurden in sehr konzentrierten Mg 2+ -F-Aktin-Proben mit der homonuklearen 2D-NMR-Spektroskopie die Resonanzlinien der 25 N-terminalen Aminosäurereste des Aktins sequentiell zugeordnet. Anhand der Quantifizierung der TOCSY-Kreuzsignal-Volumina wurde nachgewiesen, daß die ersten sechs Aminosäurereste am beweglichsten sind. Die Aminosäurereste in den beiden folgenden b-Faltblattsträngen bis Position 20 besitzen eine intermediäre Mobilität. In der folgenden Schleife verringert sich die Beweglichkeit weiter und die Amino-säurereste des dritten b-Faltblattstranges sind durch die Umgebung im Protein vollständig fixiert. Die Dynamik des N-Terminus bleibt dabei unabhängig von pH-Wert und Temperatur. In Mg 2+ -F-Aktin wurde eine niederaffine Mg 2+ -Bindungsstelle durch eine Gleichgewichts-titration bestimmt. Da die N-terminale Acetylgruppe beobachtet wurde, sollte sich die Bin-dungsstelle in der Nähe des N-Terminus befinden. Allerdings könnten auch konformationelle Änderungen induziert worden sein, die nur indirekt den N-Terminus beeinflussen. Der Austausch des im Aktin gebundenen Ca 2+ durch Mg 2+ war eine neue und sehr schonende Methode, um das Cys 10 in der Subdomäne I von Aktin für Markierungsreagenzien zugänglich zu machen. Anhand der sehr sensitiven PFP-Markierung an Cys 10 wurden in der 19 F-NMR-Spektroskopie zwei verschiedene Zustände der Bindung von Myosin S1 an das Aktinfilament beobachtet. Solange ATP im Überschuß vorhanden war, schien die im Fließgleichgewicht dominierende Konformation des Myosin-Nukleotid-Komplexes mit der Subdomäne I von Aktin zu interagieren und die PFP-Markierung zu immobilisieren. Nach der Hydrolyse von ATP erhöhte sich die Mobilität der Markierung signifikant. Durch NMR-Experimente mit gepulsten Feldgradienten wurde der Diffusionskoeffizient von Mg 2+ -G-Aktin und Mg 2+ -F-Aktin bestimmt. Der relativ große Wert, der für den Diffusionskoeffizient von filamentösem Aktin (0,34 x 10 -6 cm 2 /s) erhalten wurde, deutete daraufhin, daß die Aktindiffusionsmessungen nicht durch ein einfaches starres Körpermodell erklärt werden können, sondern die interne Bewegung im Filament einen zusätzlichen Beitrag leistet. Um das Muskelaktin aus Kaninchen mit Nichtmuskelaktin zu vergleichen, wurde Aktin aus dem Schleimpilz Dictyostelium discoideum in ausreichenden Mengen für erstmalige NMR-spektroskopische Untersuchungen isoliert. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wurden auch Studien am Interaktionspartner von Aktin durchgeführt. Mit der 31 P-NMR-Spektroskopie wurden die strukturellen Änderungen der Nukleotidbindungsstelle im Myosin S1 bei verschiedenen Temperaturen verfolgt. Die Komplexe von Myosin S1.ADP und Myosin S1.ADP.VO4 3- lagen bei 298 K jeweils in einer bevorzugten Konformation vor, die strukturell dem ADP.Pi-Zustand zuzuordnen ist. Bei tieferen Temperaturen liegt wahrscheinlich eine Vielzahl von Konformeren im Gleichgewicht vor. Die Reso-nanzlinien sind dann durch Austauschprozesse bis auf das Rauschniveau verbreitert und können nicht mehr detektiert werden. Im Gegensatz zum Myosin S1.ADP- bzw. Myosin S1.ADP.VO4 3- -Komplex existiert eine diskrete Tieftemperaturkonformation von Myosin S1.ADP.AlF4 - und Myosin S1.ADP.BeFx. Durch Temperaturerhöhung kann Myosin S1.ADP.AlF4 - in eine weitere Konformation überführt werden. Die Existenz einer zweiten Konformation von Myosin S 1.ADP.BeFx bei höheren Temperaturen war nicht eindeutig nachzuweisen. Die in Dictyostelium discoideum exprimierte Motordomäne M754 besitzt eine verkürzte Halsregion und kann im Gegensatz zu Myosin S1 keine leichten Ketten mehr binden. Die 1 H-NMR- spektroskopischen Untersuchungen beider Motorproteine ergab, daß die Motordomäne selbst sehr kompakt strukturiert ist. Die in der 1 H-NMR-Spektroskopie beobachtbaren mobilen Bereiche des Myosin S1 sind fast ausschließlich in den leichten Ketten lokalisiert und wurden durch die Bindung an Aktin im Aktomyosinkomplex immobilisiert. Die Veränderung des Nukleotidbesetzungszustands von Myosin S1.ADP zu Myosin S1.ADP.VO4 3- führt zu einer anderen Proteinkonformation und verschiebt das Gleichgewicht von gebundenem zu freiem Myosin S1. Die im ersten Teil der Arbeit als mobil charakterisierte N-terminale Acetylgruppe von Aktin wurde im ADP-Zustand des Myosins entgegen der Erwartung nicht immobilisiert.

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Metadaten
Author:Harry Kany
URN:urn:nbn:de:bsz:386-kluedo-12743
Advisor:W. E. Trommer
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:German
Year of Completion:2000
Year of first Publication:2000
Publishing Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Granting Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Acceptance Date of the Thesis:2000/07/10
Date of the Publication (Server):2001/06/28
Tag:Aktin; Myosin; NMR
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Chemie
DDC-Cassification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 540 Chemie
Licence (German):Standard gemäß KLUEDO-Leitlinien vor dem 27.05.2011