Lokalspezifische Praktiken der Sicherheitsproduktion im Kontext von Kultur und Wandel

  • Obwohl die Durchführung von Stadtfesten vielerorts auf eine jahrzehntelange Tradition zurückgeht, sehen sich die Organisatoren von Großveranstaltungen in den letzten Jahren mit erhöhten Anforderungen an die Umsetzung ihrer Aufgaben konfrontiert. Insbesondere die Tragödie auf der Loveparade in Duisburg 2010 stieß eine Diskussion zu bestehenden Sicherheitsstandards an und zeigte, dass diese überdacht und neu geprüft werden mussten. Aber auch neue Gefährdungslagen durch terroristische Bedrohungen, ein sich zunehmend durchsetzender Präventionsgedanke und der gesellschaftliche Trend zur „Eventisierung“ wirken sich auf die Planungspraxis und die Genehmigungsverfahren von Großveranstaltungen aus. Da die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes für eine Open-Air Veranstaltung in Deutschland (bislang) nicht obligatorisch ist, sind Praktiken der Sicherheitsproduktion vor dem Hintergrund lokalspezifischer Bedingungen zu betrachten. In der vorliegenden Arbeit wurde den Fragen nachgegangen, inwiefern sich lokale Praktiken der Sicherheitsproduktion auf Stadtfesten unterscheiden, wie sie sich in der nahen Vergangenheit gewandelt haben und wie unterschiedliche Entwicklungsprozesse begründet werden können. Mit Hilfe eines empirischen Fallvergleichs von zwei Stadtfesten wurden Organisationsstrukturen, Sicherheitskonzepte und Sicherheitsgefühle untersucht. Methodisch basiert die Arbeit auf Experteninterviews mit relevanten Entscheidungsträgern, zwei Dokumentenanalysen von Sicherheitskonzepten, der Beschreibung sicherheitsrelevanter räumlicher Parameter auf den Veranstaltungsflächen und zwei quantitativen Befragungen von Stadtfestbesuchern. Die Forschungsfrage wurde vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Sicherheitskultur diskutiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sich insbesondere Praktiken der Sicherheitskonzeption auf beiden Stadtfesten trotz ähnlicher Rahmenbedingungen unterschiedlich entwickelt haben. Empirisch lässt sich der eingetretene Wandlungsprozess durch verschiedene Faktoren begründen. Dazu zählen u.a. eine positive Grundhaltung und eine solide fachliche Kenntnis der Entscheidungsbefugten in Bezug auf Sicherheitsfragen, ein empfundener Handlungsdruck, eine zugrundeliegende Innovationsbereitschaft, unmittelbar erlebte und folgenreiche Negativerfahrungen, ein positives Feedback und die Unterstützung und Förderung durch übergeordnete lokalpolitische Instanzen, die sowohl ideelle Leitlinien vorgeben als auch finanzielle Unterstützung leisten. Professionell gestaltete Sicherheitskonzepte fördern zwar die Umsetzung zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen, jedoch konnte nicht festgestellt werden, dass sich Sicherheitskonzepte oder einzelne Sicherheitsmaßnahmen auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Festbesucher auswirken. Ob sich sicherheitskulturelle Wandlungsprozesse vollziehen, hängt in erster Linie von den lokalen Bedingungen ab, d.h. von den einzelnen Personen vor Ort und von deren Erfahrungen, Werten, Einstellungen und deren Kooperationsbereitschaft. Die lokalen Bedingungen innerhalb des untersuchten Ereignisraums erscheinen in ihrer Wirkung auf Wandlungsprozesse deshalb stärker als der tiefe Kontext der Sicherheitskultur.

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Metadaten
Author:Michaela Ehbrecht
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-60592
Subtitle (German):Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung zu Organisationsstrukturen und Sicherheitskonzepten am Beispiel zweier Stadtfeste
Advisor:Annette Spellerberg, Gabi Troeger-Weiß
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:German
Date of Publication (online):2020/08/26
Year of first Publication:2020
Publishing Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Granting Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Acceptance Date of the Thesis:2020/07/16
Date of the Publication (Server):2020/08/27
Tag:Sicherheit; Sicherheitskonzept; Sicherheitskultur; Stadtfest
Page Number:232
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Raum- und Umweltplanung
DDC-Cassification:3 Sozialwissenschaften / 300 Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell (CC BY-NC 4.0)